Hans Walter

Das literarische Werk von Hans Walter (1912–1992) besteht vorwiegend aus Romanen und Erzählungen. Der Schriftsteller und Aquarellist wuchs in Biel auf und betätigte sich nach Abbruch des Studiums der Germanistik und Kunstgeschichte als Feuilletonist und Rezensent zeitgenössischer Literatur. Ab den 1930er-Jahren veröffentlichte Walter zunehmend literarische Texte. 1933 erschien seine erste Publikation Beschwörer seines Nichts. Leben und Nachlass des Jünglings Julian Juß im Berliner Joachim Goldstein Verlag. 1941 wurde Walter von Henry Tschudy unter Vertrag genommen, der bis 1950 für die Herausgabe von vier Prosabänden und eines Gedichtbandes des Autors verantwortlich war. Walter galt als «stilistisch konservativer, dem Realismus verpflichteter Erzähler» (Julia Maas, ‹Bodenbös›?. Der Erzähler Hans Walter und das fragwürdige Erbe, S. 267.) Dennoch lässt sich sein Werk nicht in den Kanon der Heimatdichtung der Geistigen Landesverteidigung einordnen. Mit detaillierten Schilderungen des Alltags stellte Walter in seinen literarischen Texten die bürgerliche, «auf dem Erhalt und Bewahren des Status quo beruhenden Lebensweise» infrage (ebd., S. 268). Es war wohl unter anderem die subtile Gesellschaftskritik in seinem erzählerischen Werk, die dazu führte, dass Walters Manuskripte von etlichen Verlagen abgelehnt wurden. Ab 1950 lebte Walter gemeinsam mit seinem Lebenspartner, dem Bildhauer Hans Gerber, als freier Schriftsteller zurückgezogen im waadtländischen Buchillon. Sein erster und zugleich bedeutendster Roman Güter dieses Lebens erschien 1953 im Verlag der Büchergilde Gutenberg. Mehr als zwanzig Jahre später veröffentlichte er 1977 unter dem Titel Mitläufer eine Fortsetzung seines Erstlings.

Walter reiste erstmals als junger Student nach Italien und verbrachte die Sommerferien auf Capri. Nach Aufenthalten in Berlin und München kehrte er in den 1930er-Jahren wieder in die Schweiz zurück und wohnte mit seinem Lebenspartner für ein Jahr im Tessin. Dort entstand eine enge Freundschaft mit dem Maler Gunter Böhmer, die auch nach Walters Rückkehr nach Zürich fortbestand. Von 1935 bis 1939 bereiste Walter sein Sehnsuchtsland Italien gemeinsam mit Gerber beinahe jeden Sommer. Die während dieser Italienreisen aufgesuchten Stationen entsprachen jenen der für das 18. und 19. Jahrhundert typischen Bildungsreisen: 1936 besuchte man die Kulturstädte Florenz, Rom, Neapel, Ravenna und Venedig, 1938 machte Walter Ferien in der Provinz La Spezia und 1939 reiste er vom Comer See über Bergamo und Brescia an den Gardasee nach Sirmione. Obschon Walter während seiner Italienaufenthalte den Aufschwung der faschistischen Bewegung hautnah miterlebte, sind seine in Italien entstandenen Texte apolitischer Natur. Die kurzen Prosatexte, die der Schriftsteller in den späten 1930er-Jahren an Eduard Korrodi, Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung, sandte, hatten ein «verklärtes Italien zum Schauplatz» (ebd., S. 276). Sie wirken seltsam fern vom tagespolitischen Geschehen. Korrodi störte sich daran, dass Walter in seinen Texten die politische Gegenwart ausblendete und lehnte die Manuskripte deshalb allesamt ab. Walter kehrte erst 1950 wieder nach Rom zurück. Und auch im Römischen Heft, seinem auf dieser Reise geführten und zur Veröffentlichung vorgesehenen Tagebuch, beschrieb er die Kriegsschäden im südlichen Nachbarland nur am Rande.

In dem im Tschudy-Verlag erschienen Erzählband Glückliches Land aus dem Jahr 1941 präsentierte Walter Italien als Sehnsuchtsland, als erträumtes Arkadien, ein sich aus Bildungswissen speisendes Traum- und Wunschland, wobei die Erzählung Florentinisch für das Italienbild des Autors paradigmatisch ist. Sie trug in der Erstausgabe noch den Titel Im Zimmer. Der Band versammelte viele jener Texte, die ein paar Jahre zuvor von der Neuen Zürcher Zeitung abgelehnt worden waren. Ein weiterer mit dem Schauplatz Italien verwobener Text ist die ebenfalls von Tschudy herausgegebene Erzählung Der törichte Schatten (1942). Der Kern dieser Erzählung bilden zwei Hochzeitsreisen nach Italien, ihr roter Faden ist das Erleben und Erinnern anhand alter Sachen. Walter spielte darin auf verschiedenen Ebenen mit der im kulturellen Gedächtnis verankerten Vorstellung von Reisen in den europäischen Süden. Dennoch bleibt eine kritische Auseinandersetzung des kulturkonservativen Schriftstellers mit den damaligen politisch-kulturellen Bedingungen Italiens weitgehend aus.

Quellen