Dante Andrea Franzetti

Dante Andrea Franzetti (1959–2015) wuchs als Sohn eines italienischen Vaters und einer Schweizer Mutter zweisprachig in Zürich auf. Er studierte Germanistik, italienische Literatur und Soziologie. Nach Abschluss seines Studiums ging er vorübergehend der Tätigkeit als Gymnasiallehrer nach und wechselte dann zum Journalismus. Franzetti war Mitarbeiter beim Schweizer Radio DRS in Zürich und Lugano sowie Italienkorrespondent für den Tages-Anzeiger und weitere Zeitungen in Rom. 1985 erschien mit der Erzählung Der Grossvater sein erstes literarisches Werk. Es folgten über zehn weitere Romane und Erzählungen. Der Journalist und Schriftsteller lebte in Zürich, in der Nähe von Rom und in Santa Margherita Ligure bei Genua. Für sein literarisches Schaffen wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Conrad-Ferdinand-Meyer Preis und dem Schillerpreis der Zürcher Kantonalbank.

Wie bei anderen Angehörigen der zweiten Generation italienischer Einwanderer, ist auch Franzettis literarisches Schaffen geprägt von der Suche nach der eigenen Geschichte. In seiner ersten Erzählung Der Grossvater (1985) stellt die titelgebende Figur die Personifikation beziehungsweise die in Träumen gesuchte repräsentative Gestalt einer verlorenen Heimat dar. Der Autor interessiert sich für «die Möglichkeiten des Erinnerns an den Naht- und Bruchstellen von Zeit», wie Oliver Ruf im Kritischen Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur schreibt. In seinem Werk werden fiktive Erinnerungslandschaften durchwandert und lokalisierte Gedächtnisbilder abgerufen. Damit öffnete Franzetti Ende der 1980er-Jahre als einer der ersten Literaturschaffenden den Blick der Leserinnen und Leser auf die Situation der Immigranten in der Schweiz. Die ‹italienischen› Erfahrungen, nach denen Franzetti sucht, sind dabei unlösbar mit dem Erzähl- und Lebensort der Schweiz verbunden. Auf der Suche nach den eigenen geistigen Wurzeln knüpft Franzetti seine Erinnerungsprosa auch an literarische Traditionen an: So orientiert sich beispielsweise sein zweites Buch Cosimo und Hamlet (1987) in der Konstruktion an Italo Calvinos Der Baron auf den Bäumen aus dem Jahr 1957.

Franzettis Werk stellt eine Auseinandersetzung mit Eigenem und Fremdem dar, die sich zunächst im Italien-Kontext entfaltete und sich gemäss Hubert Thüring (Nachruf Hubert Thüring, Homepage von Dante Andres Franzetti) im Laufe der Jahre in die «Erkundung anderer Fremdheiten» transformierte. Der Autor zeigt in seinen Werken nicht nur kulturelle, sondern in erster Linie auch allgemeine existentielle Spannungsfelder auf.

Franzetti war gleichzeitig kritischer Journalist, dichterischer Gestalter, reflektierender Philosoph und politischer Publizist. Er bediente virtuos verschiedenste Genres wie Romane, Novellen, Essays und Erzählungen. Sein Schaffen ist in den «Grenzregionen zwischen Träumen und Wachen, Oberfläche und Untergrund, Fiktion und Realität angesiedelt» (Ruf, Dante Andrea Franzetti, S. 6). Lange bevor sich dieses Forschungsfeld etabliert hatte, verfasste Franzetti bereits essayistische Reflexionen zur Interkulturalität, wie zum Beispiel im Text Ein Gringo in Oerlikon (1998). Die Tätigkeit als Italienkorrespondent ab den 1980er-Jahren beeinflusste Franzettis literarischen Schreibstil insofern, als dass er als Spurensucher erinnerte Trümmer und Splitter in schlichtem sprachlichem Duktus geschickt zu Narrativen zusammenfügte. In seinem letzten, autobiografisch motivierten Roman Zurück nach Rom (2013) verwob Franzetti diesen Anspruch mit der Topografie jener Stadt, in der er mit seiner Familie zeitweise gelebt und die seine interkulturelle Identität fundiert hatte. Das Buch wechselt virtuos zwischen den Genres Erzählung, Reportage, Tagebuch und Brief und zeigt, wie die Konzepte der Identität und der Heimat differenziert und hybridisiert werden. In seinen letzten Lebensjahren betrieb der Autor die Webseite Interessen.org, die er als «offenes Forum für Kultur und Politik» verstand. Mit ihr fanden sein wachsamer Blick und seine präzisen Analysen ihren Weg auch in die digitalen Medien.

Quellen

  • Hubert Thüring, Regen in Rom, Canzoni am Jurasüdfuss. Literarischer Grenzverkehr zwischen der Deutschschweiz und Italien in den Werken von Dante Andrea Franzetti und Franco Supino, in: Corinna Jäger-Trees und Hubert Thüring (Hg.), Blick nach Süden. Literarische Italienbilder aus der deutschsprachigen Schweiz, Schweizer Texte, Neue Folge, Band 55, Zürich: Chronos, 2019, S. 287–321.
  • Hubert Thüring, Nachruf, Homepage von Dante Andrea Franzetti, www.interessen.org (4.7.2019).
  • Eintrag zu Dante Andrea Franzetti auf Bibliomedia, http://www.svbbpt.ch/de/autoren/Franzetti_Dante_Andrea/170.html (4.7.2019).
  • www.interessen.org (4.7.2019).